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Hildegard Doebner (links)

Woodstock auf dem Hohenstein

WAZ. Über 1000 Fans pro Festival-Ausgabe können sich nicht irren: Witten ist wieder auf dem Weg zum Folk-Mekka. Am 14. und 15. August gibt's einen weiteren Meilenstein: Dann werden unter anderem Stefan Stoppok, Julian Dawson und Ray Austin beim 3. Witten-Folk-Festival auf dem Stadtwerke-Gelände spielen.

Stoppok? Dawson? Austin? Bei diesen Namen erblühen bei alten Folk-Hasen die Erinnerungen. An die großen Zeiten des Wittener Folkclubs in den 1970er und 1980er Jahren nämlich, speziell aber an die Open-Air-Festivals als eine Art „Woodstock auf dem Hohenstein.” Nicht vorstellbar ohne die „Wittener Folk-Mutter” Hildegard Doebner (1928 - 2000), bei der damals alle Fäden zusammenliefen.

Nach ihrem Tod versandte die Szene, bis im Jahr 2005 sieben engagierte Bürgerinnen und Bürger der Stadt den Club „Witten Folk“ gründeten und mit der neuen Festivalreihe zahlreiche Folk-Musiker und -Fans wieder hierher lockten.

Aber zurück zu Folk-Mutter Doebner. Deren Haus in der Steinstraße 15 war Anlaufpunkt der Folkmusiker aus aller Herren Länder. „Viele Iren haben bei uns geschlafen, von den Furies bis zu den Wilde Geese. Die waren trinkfester als jeder Brite. Angereist sind sie mit ihren Instrumenten, aber verköstigt wurden sie von Hildegard”, erinnert sich deren Sohn Rolf Doebner (47). „Unser Dachboden war damals eine einzige Schlafstätte mit bis zu 40 Betten, die häufig restlos belegt waren.”

Den damals jungen und inzwischen längst kultigen Musiker Stefan Stoppok hat Rolf Doebner als einen „netten Menschen” in Erinnerung: „Das war ein Typ, der bei uns daheim nächtelang über die Weltpolitik diskutieren konnte oder mit den Iren Sessions spielte. Das waren unendliche Nächte.”

Und Julian Dawson malte seine Version der Dinge im Bild „Steinstraßenblues”: Da sieht man als Karikatur einen Haufen gut abgefüllter Musiker, über denen Hildegard Doebner thront.

Auch Hannes Wader und Hanns Dieter Hüsch gehörten zu den gern gesehenen Gästen in der Steinstraße. Und bei den Folkclub-Veranstaltungen gastierten Jürgen von der Lippe und Herbert Grönemeyer bereits lange bevor sie einem breiten Publikum bekannt waren. Doebner: „Der damals vielleicht 17-jährige Grönemeyer kam beim Publikum gar nicht an. Er hat den Club in der Alten Zeit sozusagen leergeschrien.”

„Damals war dort alles vertreten von Folk bis Rock, der Folk-Begriff war in jener Zeit noch nicht so eng begrenzt”, erklärt Rolf Doebner. Gastätten wie die Alte Zeit oder die Engelsburg sowie das Foyer der Werkstadt waren Spielorte des Folkclubs, bei großen Anlässen ging's auf den Berliner Platz, den Kahlen Plack oder eben auf den Hohenstein.

„Die Bühne stand am Bergerdenkmal, auf der Wiese davor saßen oder tanzten die Folkfans”, erinnert sich Rolf Doebner. „Die zweite Wiese bis hoch zum Parkplatz war übersät mit Campingzelten von Fans aus vielen Ländern, ich schätze mal um die 1500 Leute. Das THW hatte eine Strecke mit 16 Wasserhähnen aufgebaut, an denen sie sich wuschen. Das war Folk-Camping in urzeitlichem Sinne.” Oder eben Woodstock-Stimmung auf dem Hohenstein. Besonders romantisch war des Abends der Blick vom Bergerdenkmal hinunter aufs Ruhrtal. Da fanden auch manche Folkfan-Herzen zueinander.

Für Musiker war es eine Ehre, bei Wittener Folk-Veranstaltungen zu spielen. Doebner: „Es hieß nicht: Was bekomme ich für den Gig? Sondern die Eintrittskasse wurde verteilt. Die Musiker konnten sich hier einen Namen machen, nach dem Motto: Bekannt aus Witten.”

 WAZ-Bericht von Michael Vaupel

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